Wahnsinn
Experten streiten noch darüber, ob Wahnsinn, auch Besessenheit oder Irrsinn eine Krankheit im medizinischen Sinne oder eine schicksalhafte Strafe für unrechte Taten ist.
So ist oftmals zu beobachten, dass dem Wahnsinn anheim gefallene Personen keinen anständigen Lebenswandel führten oder durch Taten, welche zuerst anderen Menschen Schaden zufügten, dergestalt heimgesucht wurden, dass eine Ursächlichkeit zwischen jenen, seien sie minderschwer, zum Beispiel unregelmäßiger Kirchgang, schändlich (siehe Onanie) oder gar verbrecherisch, und dem oftmals zunehmenden geistigen Verfall der Patienten angenommen werden kann oder sogar offensichtlich ist.
Die Besessenheit im biblischen Sinne, also das Einfahren von teuflischen Dämonen, ist in heutigen Zeiten eher seltener geworden, gleichwohl findet sich eine Vielzahl von Patienten, welche sich durch böse Geister bedroht fühlen, ohne dass dergleichen von versierten Exorzisten nachgewiesen werden könnte.
Krankheitsbeschreibung
Wahnsinn äußert sich in mannigfacher Gestalt, so dass eine allgemeine Umschreibung nicht möglich ist. So mögen uns drei Fälle zur induktiven Anschauung dienen.
Frau M., aus Großbritannien. Der behandelnde Arzt sowie die zur Bewachung der Kranken abgestellte Schwester berichteten von nächtlicher Unruhe, Schlafwandel, Phobie vor Dunkelheit, halluzinatorische Empfindung von Geräuschen. Daneben wurde ein krankhafter Waschzwang der Hände beobachtet, welche die Patientin als blutbefleckt wähnte. Schließlich kam die Patientin durch Selbstmord zu Tode. Eine gerichtliche Untersuchung ihrer Lebensgeschichte brachte hernach zu Tage, dass die Kranke nicht nur an der Ermordung eines Staatsoberhauptes teilschuldig, sondern auch noch in mehrere Verdeckungsdelikte verstrickt war.
Fräulein O. aus Helsingør. Relativ plötzlich erkrankte die O. an einer schweren Form von Persönlichkeitsstörung, die sie überall Blumen erblicken ließ. Dieser Hang zur Floristik kostete sie schließlich das Leben, als sie einen Blumenkranz an einem Weidenbaum zu befestigen suchte, dabei in den darunter befindlichen Bach fiel und ertrank. Auch hier lassen die jüngsten Lebenserfahrungen den Keim der Krankheit erkennen: Von ihrem Geliebten ward sie zurückgewiesen, vom Vater und Bruder äußerst streng zu Sittlichkeit angehalten, was eigentlich nicht verwerflich, sich in Kombination mit dem plötzlichen, gewaltsamen Tod des Vaters (Totschlag durch den Geliebten) jedoch ihrer Geisteskraft ziemlich abträglich zeigte.
Zwar ist das weibliche Gemüt, seines Zeichens oftmals bestimmt von flatterhafter Unstetigkeit, diversen Launen und einem natürlichen Hang zu Hysterie, besonders gefährdet, doch können ähnliche Krankheitsformen ebenfalls bei Männern entdeckt werden.
So beispielsweise bei Franz W. aus Leipzig. In den Diensten der Fahne, vermutete er überall gefährliche unterirdische Pilze oder die Freimaurer, vernahm von anderen nicht zu hörende Geräusche, litt an Fieber. Obzwar ein Arzt ihn zur medizinischer Erprobung neuartiger Ernährungsformen unter Beobachtung hielt, blieb W.s Zustand unentdeckt. Seine Geliebte, mit welcher er ein uneheliches Kind unterhielt, zeigte sich der Gesellschaft höherer Dienstgrade nicht abgeneigt und wurde von W. ob dessen erdolcht, wonach sich der Patient selbst in einem Teich vor der Stadt ersäufte.
Kurvorschrift
Wie die oben angeführten Fälle zeigen, sind Kranke mitunter dem Selbstmord zugeneigt. In solchen wie auch in Fällen der Gefährdung anderer empfiehlt es sich, sie in kahlen Zellen, die allem entbehren, womit sie sich selbst verletzen könnten, mit starken Ketten an die Wand zu schmieden. Die Unterbringung in Krankensälen ist nur nach der ausreichenden Eingabe von Laudanum zulässig, doch auch dann sollte eine Fixierung am Bette und besondere Aufsicht durch kräftige Pfleger erwogen werden.
Da die Ursachen wie gesehen mannigfacher Natur sind und ein Krankheitsverlauf in seinen Ausprägungen nicht vorauszusehen ist, macht sich Vorbeugung unabdingbar. Insbesondere eine ausgewogene Ernährung, ein sittlich-moralisch einwandfreies Leben sowie ausreichende Bewegung an der frischen Luft können den Ausbruch verhindern, verzögern oder zumindest abschwächen. Alkohol und Tabak ist streng zu entraten, zudem sollten regelmäßige Schlafzeiten eingehalten und unnötige Erregungen vermieden werden. Eine frühzeitiges, phrenologisches Gutachten hilft zudem, etwaige Anlagen zu erkennen.
Heilung versprechen neben tüchtigen Prügeln, Eiswassergüssen und Elektroschocks auch großzügig ausgeführte Lobotomien.