Hypochondrie
Nicht zu verwechseln mit der Hysterie ist die Hypochondrie, welche ebenfalls vorzugsweise bei reicheren Klassen vorkommt und besonders dem männlichen Geschlechte eigen ist; sie kommt am meisten zwischen dem Alter von zwanzig bis vierzig Jahren vor, ältere Junggesellen sind häufig damit behaftet. Dieser Zustand bildet das Zwischenglied zwischen Nervosität und Wahnsinn.
Oftmals wird der Kranke von seiner Umgebung nicht recht ernstgenommen, was durch populäre Werke der Literatur („Der eingebildete Kranke“) noch verstärkt wird. Jedoch zählt Hypochondrie in ihren ausgeprägten Formen zu einer sehr bedrohlichen Krankheit, insbesondere wenn der Patient in den Wahnsinn abzugleiten droht.
Krankheitsbeschreibung
Derartige Patienten beobachten selbst die unscheinbarsten Vorgänge im Körperorganismus und deuten jedes außerordentliche, ja selbst das geringfügigste Krankheitssymptom als ob es zum Tode führen müsste. Sie befinden sich also fortwährend in Zweifel und Sorgen über ihren körperlichen Gesundheitszustand und wähnen sich oft von schlimmsten Krankheiten tatsächlich befallen, wenigstens höchlich bedroht.

Diese Beschwerden werden von Zeit zu Zeit vermehrt und erzeugen oft schreckliche Anfälle, den Kranken befällt hierbei Beklommenheit, Unruhe und Angst, sein Herz zittert oder schlägt heftig, als hätte er ein Verbrechen begangen. Die Kehle ist wie zusammengeschnürt, schweres Atmen, Übelkeit, oft auch Erbrechen von einer sauren, zähen Materie, Hitze und Klopfen im Unterleib, kalte Schweiße, Zuckungen in den Muskeln, Rückenschmerz, auch Weinen, dann Schwindel und Ohnmacht etc. Dies sind die gewöhnlichen Erscheinungen eines solchen Anfalles. Wenn der Kranke schon mehrere derartige Anfälle überstanden hat, so bekommt sein Gesicht ein eigentümlich verzerrtes Aussehen, blasse, erdfahle Gesichtsfarbe, er ist in sich versunken, fühlt sich häufig den Puls; manche beschauen häufig ihre Zunge, auch den Stuhlgang. Diese Krankheitserscheinungen sind aber unendlichem Wechsel unterworfen.
Ursachen
Erbliche Anlagen, geistige und körperliche Beschäftigungslosigkeit, Verdauungsstörungen infolge jahrelanger, verkehrter Lebensweise, besonders Genuss von schwer verdaulichen, fetten Speisen. Dann langer Umgang mit anderen Hypochondern, langwierige Krankheit, wobei sich der Kranke gewöhnt, stets aufmerksam auf sich zu sein, vernachlässigte Körperpflege oder schlecht behandelte Hautausschläge, Wechselfieber, Ruhr etc., viel Genuss von Arznei, geistige Getränke, sitzende Lebensart, Ehelosigkeit, schwelgerisches oder angestrengt karges Leben, Onanie, Impotenz, lang dauernde Gemütsbewegungen. Dann vor allem chronische Störungen im Unterleib, als chronischer Magen- und Darmkatarrh; Blutverstopfungen, Blutstauungen in der Pfortader infolge Leberkrankheiten oder Tabakgenusses, Hämorrhoidal- und Schwächezustände etc.
Kurvorschrift
Das sicherste in den meisten Fällen durchaus notwendige Mittel, um einen Hypochonder gründlich wiederherzustellen, ist eine längere, monatelang andauernde Stärkungs- und Regenerationskur. Durch die Kur müssen vor allem die Grundursachen des Leidens gehoben und der Körper gekräftigt werden.
Vor allem mag der Patient Arbeiten verrichten, bei welchen nicht allein die körperlichen Kräfte, sondern auch der Geist mit in Anspruch genommen wird, überhaupt wohltätige, körperliche und geistige Zerstreuung, Aufenthalt in recht heiterer Gegend und heiterer Gesellschaft, viel Bewegung im Freien an der frischen Luft (besonders Berg- oder Waldluft).
Gut ist es, wenn der Kranke seine Heimat und seine gewohnte Umgebung vertrauensvoll und ausdauernd einige Monate mit einem fremden Orte vertauscht und dort wie angegeben zubringt.