Von der Behandlung hysterischer Weiber

Die Hysterie ist eine weitverbreitete Frauenkrankheit verschiedener Ursachen. Hysterie bei männlichen Patienten ist zwar auch beobachtet worden, jedoch waren diese in anderer Art bereits auffällig geworden und wurden seitens ihres Umfeldes nicht selten als weichliche, schwache Naturen beschrieben, was kaum verwunderlich ist.

Allgemein lässt sich in Fällen einer Hysterie eine gewisse Nervenschwäche im Zusammenhang beobachten. Oft tritt die Krankheit auch im Gefolge von Unterleibsleiden auf. Die meisten Hysteriekrankheiten findet man in großen Städten unter den Reichen und Hochgebildeten und besonders in Kreisen des Adels.

Frauen vom Lande haben üblicherweise nicht die Zeit, sich das Nervensystem mit Romanlesen, Konzerten, Theater, Nichtstun und durch eine feine, üppige Kost zu überreizen und zu schwächen.

Krankheitsbeschreibung

Hysterische Überreaktion
Hysterische Frauenzimmer reagieren selbst auf wohlmeinende Ratschläge mitunter recht überzogen.

Von unkundigen Doktores wird die Hysterie häufig mit der Hypochondrie verwechselt, und tatsächlich treten diese Krankheiten durchaus gleichzeitig auf. Die Krankheitserscheinungen der hysterischen Weibsbilder sind differenziert jedoch folgende:

Die Esslust ist gemeiniglich unordentlich, wenn auch nicht gerade unterdrückt. Sie stellt sich zu ungewöhnlichen Zeiten und sehr plötzlich ein. Das Genossene macht Unruhe, Drücken, Unbehaglichkeit, so dass es wieder hinausgewünscht wird. Leicht entstehen Übelkeiten, Magenkrämpfe, wirkliches Erbrechen, saures Aufstoßen. Auch von heftigern Schmerzen in den Gedärmen haben Hysterische viel zu leiden. Die Leibesöffnung ist immer unregelmäßig. Häufig leiden die Kranken an Verstopfung, noch häufiger an Durchfall. Oft riecht der Abgang sehr übel oder ist schleimig oder grünlich, wovon der Grund jedenfalls in einer durch Krampf veränderten Beschaffenheit der Galle und der anderen im Darmkanal abgesondert werdenden Flüssigkeiten zu suchen ist.

Hysterische sehen oft kränklich und bleich, oft aber auch blühend aus. Immer aber wechselt das Aussehen ihres Gesichtes sehr schnell. In einer Stunde sehen sie manchmal blühend und heiter aus oder bleich mit blauen Ringen um die Augen, niedergeschlagen und selbst verzerrt. Dabei ist die körperliche Wärme fast immer unregelmäßig verteilt. Einzelne Teile sind sehr warm, selbst brennend heiß und gerötet, andere eiskalt und bleich.

Diese Patientinnen lachen und weinen fast zu gleicher Zeit, heute loben sie Bekannter und Freunde, morgen beschimpfen sie dieselben. Sie stehen in ihrer Umgebung lauter herzlose Menschen, die mit ihrem Krankheitszustand kein Mitleid haben. Überhaupt haben sie das Bestreben, sich ihrem wirklichen oder eingebildeten Leiden interessant zu machen und damit das Mitleid oder doch wenigstens die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung auf sich zu lenken. Durch Krämpfe in den Muskeln des Gesichts, Halses, Kopfes und Kehlkopfes und der Speiseröhre erfolgt Knirschen mit den Zähnen, unmäßiges Schreien und Brüllen, lautes Lachen und Weinen ohne äußere Veranlassung und oft rasch untereinander abwechselnd, Schluchzen, Gähnen, kurzes, in Abständen erfolgendes Atemholen. Im letzen Stadium stellt sich auch Ohnmacht ein; während dieses Zustandes hören oder fühlen die Patientinnen, was mit ihnen und ihrer Umgebung vorgeht. Nur der Körper erscheint als scheintot.

Die Grundursachen sind Nervenschwäche, vor allem verkehrte Erziehung des weiblichen Geschlechts.

Kurvorschrift

Wohlmeinende Prügel helfen nur selten. Besser bewährt haben sich reizlose, aber kräftige Kost, täglich lauwarme Ganzwaschungen. Öftere Luft- und Sonnenbäder, Barfußgehen, Schlafen bei offenem Fenster auf harten Matratzen und vor allem täglicher Stuhl. Zudem entferne man aus der Umgebung sämtliche Gegenstände, welche die Nerven zu reizen in der Lage sind, z.B. Bücher, Bilder etc. und untersage streng Theater- oder Konzertbesuche, fördere hingegen leichte Handarbeit oder dergleichen. Auf keinen Fall ist der Genuss von Absinth oder ähnlichen Getränken zugelassen, in schweren und dringenden Fällen jedoch die Einnahme von Laudanum.

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